§42 AO (Gestaltungsmissbrauch)

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Über diese Lektion

Das ist die Lieblingsargumentation jedes Steuerprüfers und der Albtraum jedes Steuerberaters. Aber was ist das genau? Die genaue Definition und ein paar abgeurteilte Beispiele findest Du hier. (2019)

Transkript

So, willkommen zurück. Paragraf 42 Abgabenordnung, kurz AO, Gestaltungsmissbrauch. Das Lieblingsinstrument sämtlicher Steuerprüfer.

Schauen wir erst mal in die Abgabenordnung rein und schauen, was da wirklich steht.

Paragraf 42, Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, Satz 1: Durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift. Andernfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so - also das ist dieser nächste Satz -, wie es bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Keine Sorge, das hört sich sehr kompliziert an, ich liste Dir das gleich simpel auf.

Zweitens, ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. - Du siehst also, es gibt gesetzlich vorgesehene Steuervorteile. - Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind.

Das ist eigentlich der wichtige Teil davon.

So, jetzt übersetzen wir das mal.

Also, Gestaltungsmissbrauch ist etwas, wenn die Gestaltung zum Erreichen des Ziels unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist.

Hierbei kommt es auf das Wort beachtlich an. Dessen Definition nach Duden Folgendes heißt: a) ziemlich groß und beträchtlich; b) recht wichtig und bedeutsam, respektabel; und c) deutlich erkennbar, sehr.

Also sind die nachgewiesenen außersteuerlichen Gründe nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht wesentlich oder gar von untergeordneter Bedeutung, sind sie nicht beachtlich im Sinne von Satz 2. Das entstammt einem Urteil.

Vereinfacht gesagt bedeutet es, wenn Du die Konstruktion nur gemacht hast, um Steuern zu sparen, und es sonst keinen wirtschaftlichen Grund gibt, dann beißt Paragraf 42 Abgabenordnung.

So, dann gibt es aus verschiedenen rechtlichen Kommentaren und aus Urteilen ein paar mehrere Definitionen davon, z.B. Eigenschaften unangemessener Rechtsgestaltungen. Die sind meistens umständlich, kompliziert, schwerfällig, unökonomisch, gekünstelt oder unnatürlich, absonderlich, überflüssig, widersinnig und undurchsichtig.

Eigenschaften angemessener Rechtsgestaltung sind dagegen einfach, zweckmäßig, übersichtlich und das Gegenteil der unangemessenen Punkte.

Damit das Ganze nicht so theoretisch ist, liste ich Dir hier ein paar abgeurteilte Beispiele des Bundesfinanzhofs auf, also der obersten Rechtsprechung zu Steuern, allerdings ein bisschen stark vereinfacht, dass es leicht zu erklären ist und ich keinen Vortrag halten muss.

Also, stell Dir vor, Du verschenkt einfach Geld an Dein Kind. Da gibt's ja einen Freibetrag in der Schenkungssteuer für. Dann gewährst Du Dir das am besten gleich am nächsten Tag - das ist nämlich nicht so schlau - mit einem Darlehen zurück, und zwar im Rahmen eines Gesamtplans der Eltern zur Schaffung von Werbungskosten. Das ist also aus Deiner Gesamtgestaltung ersichtlich. Dann wäre das per BFH missbräuchlich. Das heißt, Paragraf 42 Abgabenordnung würde greifen.

Weiteres Beispiel. Ein Steuerberater mietet bei einem einkommens- und vermögenslosem Kind eine Buchhaltungs-Software an, für die die Kanzlei dann anschließend Zinsen bezahlen muss. Das ist auch missbräuchlich, kompliziert und einfach an den Haaren herbeigezogen.

Oder beispielsweise gegenseitige Überkreuzvermietung. Also Dein Bruder kauft eine Wohnung, Du kaufst die andere Wohnung, anschließend vermietest Du an Deinen Bruder, Dein Bruder vermietet an Dich und ihr könnt beide, weil die Wohnungen auch noch gleich groß sind, jetzt auf einmal den Eigennutz von der Steuer absetzen. Das ist kompliziert und missbräuchlich und macht keinen Sinn.

Könntest Du dagegen außersteuerliche Gründe geltend machen, weil Du z.B. ein Kind mehr hast als Dein Bruder, dann könntest Du auch rechtfertigen, dass Du sagst: „Ja, ich wohne ja in der größeren Mietwohnung meines Bruders, weil die ein Zimmer mehr hat. Und er ist aber Single oder ist einfach nur mit einer Partnerin zusammenlebend und deswegen reicht ihm die Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, die ich an ihn vermietet habe.“ Das wären außersteuerliche Gründe.

Umgekehrt ist es aber so, dass die Vermietung eines Gebäudes an die Eltern bei gleichzeitiger unentgeltliche Überlassung durch die Eltern nicht missbräuchlich ist. Bedeutet, Du vermietest eine Wohnung an Deine Eltern, während Deine Eltern Dich irgendwo kostenlos wohnen lassen. Wenn es dafür außerwirtschaftliche Gründe gibt, ist das nicht missbräuchlich.

Eine andere Form, die nicht missbräuchlich ist, ist Auszahlung von Unterhalt, zum Beispiel vom Sohn an die Mutter, während gleichzeitig er einen Mietvertrag mit der Mutter schließt und sie praktisch aus seinem eigenen Unterhalt die Miete an ihn wieder zurückzahlt. Das ist nicht missbräuchlich, weil es sinnig ist.

Dann gibt es wieder ein Urteil, dass die Vermietung an einen unterhaltsberechtigtes Kind - also das Kind, meinetwegen im Studium, kriegt Unterhalt von den Eltern und zahlt dann die Miete für die Wohnung der Eltern, das an das Kind vermietet ist, aus dem eigenen Unterhalt. Auch das ist nicht missbräuchlich, weil das zu vertreten ist.

Ein weiteres Urteil: eine Grundstücksschenkung der Eltern an einen Sohn bei anschließender Weiterverschenkung an die Schwiegertochter ist nicht missbräuchlich.

Warum macht man das? Die Eltern wollten es zum Beispiel der Schwiegertochter geben, aber die Schwiegertochter ist gemäß Schenkungssteuer keine echte Verwandte. So, das heißt, sie hat nur einen Freibetrag, wie ein fremder Dritter, von 20.000 EUR und ist dann anschließend in Steuerklasse III, das heißt der höchsten Steuerklasse. Schenkt sie es dagegen dem eigenen Sohn, hat sie einen Freibetrag von 400.000 Euro, und der Sohn verschenkt es dann wieder an seine Ehefrau, dann ist dort ein ähnlich hoher Freibetrag. Und auf diese Art und Weise kann natürlich die ganze Schenkungssteuer gespart werden.

Wenn so was aber in zu nahen, zu offensichtlichen Zusammenhang passiert, dann kann es sein, dass beim gleichen Vorgang trotzdem es als Gestaltungsmissbrauch gewertet wird.

Auch hier musst Du einfach nur das Thema Gestaltungsmissbrauch schon mal gehört haben und verstehen und ein leichtes Gefühl dafür haben.

So, wenn Du jetzt also eine Gestaltung machst, wo Du sagst: „Hm, könnte vielleicht Gestaltungsmissbrauch sein“, dann ruf Deinen Steuerberater an oder google das Thema, dort findest Du die gesamten Urteile und die Kommentare dazu. Und dann weißt Du auch, ist das Gestaltungsmissbrauch oder nicht. Oder wenn ja, wie müsste man es machen, dass es keiner ist.

Wichtig ist nur, Du musst das Thema Gestaltungsmissbrauch kennen.

So, schauen wir uns die Definition noch mal an. Paragraf 42 Abgabenordnung, Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten.

Erstens, durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts kann das Steuergesetz nicht umgangen werden.

Das heißt also, Du kannst nicht einfach das Gesetz misshandeln, um Steuern zu sparen.

Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift.

Das bedeutet übersetzt, dass der Paragraf 42 Abgabenordnung so eine Art Schirmparagraf ist, der einspringt, wenn es andere Regelungen nicht gibt. Also, gibt es eine spezielle Regelung für diesen speziellen Fall im Einzelsteuergesetz, dann gilt diese, ja. Die ist also stärker als der Paragraf 42 Abgabenordnung. Falls es aber keine Regel gibt, dann kann der Paragraf 42 Abgabenordnung angewandt werden, sofern Du in die Definition fällst.

Andernfalls entsteht der Steueranspruch bei Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht.

Bedeutet: Angenommen, der Paragraf 42 Abgabenordnung würde bei Dir greifen, dann stellt sich das Finanzamt so, wie wenn Du die angemessene Gestaltung gewählt hättest. Also bei Überkreuzvermietung würden die zum Beispiel sagen: „Nix da. Du kannst weder Zinsen noch Abschreibung geltend machen, weil Du machst praktisch Eigennutz.“ Das heißt, Du wirst so gestellt, wie wenn Du nicht eine Extragestaltung gewählt hättest.

Absatz 2. Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.

Dies gilt nicht - also es gilt nicht -, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Also die nicht nur untergeordnet sind.

Also Vorsicht, nicht pauschal immer nach Gesamtbild der Verhältnisse. Da musst Du auch aufpassen, wenn Du die Urteile liest, dass Du sie wirklich ganz liest und nicht nur die Zusammenfassungen davon, weil Du brauchst immer das Gesamtbild der Verhältnisse.

Tja, und langsam verstehst Du wahrscheinlich, warum Steuern gestalten das Spiel ist der korrekten Zuweisung der Bedeutung zu der jeweiligen Zahl in der richtigen Identität.

Nehmen wir zum Beispiel das Beispiel mit der Schenkung von den Eltern über den Sohn an die Schwiegertochter. Schenken die Großeltern direkt an die Schwiegertochter, ist die Identität der Tochter aus steuerlicher Sicht eine fremde Dritte. Schenken sie an den Sohn und der Sohn schenkt an die eigene Frau, dann ist sie in diesem Fall in der Identität der Frau und hat den entsprechenden Freibetrag. Tja, so läuft das.

Regel: Lieber einmal zu viel den steuerlichen Berater und dessen DATEV-Datenbank fragen oder auch Onkel Google. Und hier auch noch ein ganz wichtiger Tipp: Viele Steuerberater neigen ab und zu mal dazu, Pauschalitäten im Eifer des Gefechts rauszuhauen, deswegen gewöhn Dir eine Frage an, die lautet: Wo steht das?

Jedes Mal, wenn der Steuerberater eine Meinung sagt, zum Beispiel: „Auch das ist sicher Paragraf 42 Abgabenordnung“, dann sag: „Sehr gut, hast du da ein Urteil für? Wo steht das?“

Das ist die Frage, die Dich vor übereifrigen Meinungen schützt. Nicht nur bei Steuerberatern, sondern immer im Leben. Ich habe schon so oft Rechtsanwälte erwischt. Ich habe schon so oft professionelle Geschäftspartner erwischt. Wo ich einfach nur gesagt habe: „Verstehe. Vielen Dank für Deine Meinung, aber wo steht das? Ich würde das gern nachlesen.“

Wenn man es dann nachliest, stellt man fest: „Da steht ja ein bisschen was anderes drin, als das, was du jetzt gerade machst.“ Also deswegen: Wo steht das?


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